Ratgeber IT-Recht

11 Februar 2006

Recht haben und Recht bekommen

Hier mal was anderes nämlich der Erfahrungsbericht vom Rechtsanwalt


Recht hat nichts oder nur sehr wenig mit Gerechtigkeit zu tun ?

So sagt man landläufig. Sehen Sie das auch so ? Sicher haben Sie zu diesem Thema Ihre ganz eigenen Erfahrungen gesammelt.

Ich darf Ihnen heute meine ganz spezielle Erfahrungen dazu berichten. Eine wahre Begebenheit ...

Stellen Sie sich dazu eine Gerichtsverhandlungen vor der einer Strafkammer des Landgerichtes in Kaiserlsautern vor.

Kaiserslautern liegt in der Pfalz die Amtssprache ist daher neben Deutsch auch Pfälzisch. Um Ihnen einen realitätsnahen Eindruck zu vermitteln werde ich Ihnen daher einige Passagen im Orginalton vortragen.

Sollten Sie dabei Verständnisschwierigkeiten haben, bin ich gerne gewillt Ihnen im Anschluß meines Berichtes für die eine oder andere Übersetzung zur Verfügung zu stehen.

Es geht um schwere Körperverletzung nach § 224 StGB.

Der Angeklagte ist ein grimmig dreinblickender Hühne, 1,98 m, Schuhgröße 52. Mit kalten stahlblauen Augen bliuckt er zu dem Geschädigten.

Der Geschädigte ist ein kleiner chilenischer Indio, Mitflöter in einem Panflöten-Folklore-Trio.

Der Hühne wird angeklagt am 08.10.1999 auf der Kerwe in Sembach, einem kleinen Ort bei Kaiserslautern, den Geschädigten Sancho Q. geschlagen und dadurch schwer verletzt zu haben.

Das verlesene Vorstrafenregister des Angeklagten enthält vornehmlich Körperverletzungs- und Nötigungsdelikte.

Als Zeuge werden zunächst der Geschädigte Sancho Q und danach seine Landsleute aus der Panflötengruppe aufgerufen. Die musikalischen Herren aus Chile sind allesamt klein an Wuchs, tragen lange schwarze Zöpfe als Haartracht und sagen übereinstimmend aus:

Das Trio gab am 08.10.1999 auf der Sembacher Kerve eine Kostprobe seiner Flötentöne. Nachdem Auftritt und dem Pusten war das Musikertrio durstig. So kam man überein an der Theke im Festzelt Bier zu tinken. An der Theke herrschte Gedränge, so daß die Musiker allein schon Schwierigkeiten hatten an das berauschende Braugetränk über die hohe Theke hinweg zu gelangen.

Zu allem Überfluß geschah dann nach gelungenem Erwerb der Getränke noch das Mißgerschick.

Das Bierglas des Geschädigten wurde durch einen großen Mann im roten Pullover, der wild gestikulierte umgestoßen. Der Geschädigte war sehr ärgerlich darüber und tippte den großen Mann mit dem roten Pullover, der mit dem Rücken zu ihm stand und vom Verschütten des guten Bieres nichts bemerkt hatte, nach oben etwa in Gürtelhöhe an und verlangte lautstark, das ihm dieser sofort ein neues Bier bezahlen solle.

Der große Mann drehte sich zum Geschädigten um und dann nahm das Verhängnis seinen Lauf.

Es ging dann alles sehr schnell. Der Geschädigte erhielt sofort einen kräftigen Schlag ins Gesicht dann noch einen zweiten und flog von der Wucht der Schläge getroffen einige Meter weiter und stürzte dort schwer zu Boden.

Seine Landsleute eilten ihm sofort zur Hilfe, da er stark aus Mund und Nase blutete.

Auf Nachfrage des Staatsanwaltes, ob man den Angeklagten als den Übeltäter, Bierverschütter und Schläger, identifizieren könne, verneinten die chilenischen Zeugen.

Aus Ihrer Sicht war in Augenhöhe nur der Bauch des großen Mannes und der rote Pullover erkennbar gewesen.

Zum Gesicht hatten die Zeugen nicht mehr hochblicken können, da auch alles so schnell ging und großes Gedränge herrschte.

Danach wurden verschiedene andere Zeugen, die allesamt sehr ängstlich wirkten vernommen.

Noch ehe der Richter oder der Staatsanwalt auch nur eine Frage stellen konnten, gaben diese sofort mit ängstlichem Blick auf den Angeklagten von sich „Isch hab nix gesieh!“ was soviel heißt wie ich habe nichts gesehen.

Der Richter versuchte fragetechnisch doch noch mehr zu erfahren. Geschildert sei beispielhaft eine Vernehmung, die aber bei sämtlichen nachfolgenden Zeugen ähnlich ablief:

Der vorsitzende Richter lenkte nach dem ersten, schon beim Eintreten in den Sitzungssaal auf Sicht des Angeklagten, hervorgebrachten „nix gesieht“ ein:

“erst mal langsam, sie wissen ja gar nicht welchen Vorgang ich meine. Es geht um den 08.10.1999 auf der Sembacher Kerve...“

„Isch hab aber doch nix gesieh.“

„ja meint der Richter, aber Sie waren doch auf der Kerveveranstaltung im Festzelt, war der Angeklagte auch da ? "

„Isch hab nix gesieh. Isch wäs a net, ob der do war.“

„Hm, Nun ist der Angeklagte ja recht groß, haben Sie ihn gar nicht gesehen an diesem Tag?“

„Schun, der war uff der Kerb.“

„Wissen Sie noch ob der Angeklagte an diesem Tag einen roten Pullover getragen hat?“.

„Jo, des kennt sinn. Der trägt uft so rote Pulli.“

„Haben sie mitbekommen was an der Theke passiert ist?“

„Nee. Isch wäs net was do los war.“

„Ja aber Sie haben doch hinter der Theke bedient, da hätten sie doch etwas mitbekommen müssen ?“

„Nee, isch war do grad uf de Pippibox„

„Wie bitte?“

„Ei uf de Toilet. Isch hab nix gesieh“

„Sagen Sie mal, haben Sie Angst vor dem Angeklagten? Soll der Angeklagten den Saal verlassen ?“

„Nee. Ei woher dann, isch hab enfach nix mitkriegt von der ganz Sach do. Isch wäs es halt enfach net.“

„Gut, sind noch Fragen,...

Nein,

wenn auf Fragen verzichtet wird, bleibt der Zeuge unvereidigt und wird entlassen.

So ähnlich verliefen auch die nachfolgenden Zeugenvernehmungen.

Im Wesentlichen ergab sich, daß sich die meisten Zeugen zum Tatzeitpunkt entweder gar nicht Festzelt befunden hatten, obwohl dort gerade die Hauptveranstaltung stattfand, der Auftritt der örtlichen Jazztanzgruppe, oder waren zwar im Zelt, hatten aber rein gar nix gesieh oder gehert.

Es konnte allein festgestellt werden, daß der Angeklagte am 08.10.1999 auf der Kerve war und an diesem Tag auch einen roten Pullover getragen hatte.

Zuletzt wurde noch der Arzt befragt, der den Geschädigten behandelt hatte:

Prof. Dr. P. gab an, daß bei dem Geschädigte eine schwere Fraktur des Nasenbeines und des Kiefers festgestellt wurde, sowie der Verlust von 2 Zähnen verzeichnet werden konnte. Die Art der Verletztungen und nach Anbgaben des Patienten, war dies die Folge eines oder mehrer käftiger Faustschläge.

Die Stimmung im Sitzungssaal V des Landgerichtes war nach der letzten sachverständigen Zeugenaussage gedrückt.

Allein der Hühne auf der Anklagebank lehnte sich gelassen zurück und wirkte nach einer anfänglichen Anspannung nunmehr zum Ende der mündlichen Verhandlung äußerst gelockert und zufrieden.

Der Staatsanwalt hielt sein Plädoyer, indem er beantragte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme den Angeklagten freizzusprechen, da ihm der Tatvorwurf nicht nachzuweisen sei. In dubio pro reo.

Die Verteidigung schloß sich dem an.

Der vorsitzende Richter erteilte dem Angeklagten das letzte Wort.

Dieser rückte sich auf seinem Srtuhl zurecht und meinte:

„ Jo, isch will nur noch äns zu dem Professor do sahn. Des war völlisch verkehrt was der do gasaht hat, von wehn Faustschläh. Isch hab do nur mit der flach Hand zugeschlah. Nur mit der Flachhand.“

Der Angeklagte verstummt. Plötzlich hat er die gesamte, vormals etwas verebbte Aufmerksamkeit der Richter und Anklagebank.

„Ach, sie haben den Geschädigten hier also geschlagen?“

fragt der Vorsitzende fast frohlockend.

Der Angeklagte etwas unsicher „ei jo, aber nur mit der flach Hand, isch män jo nur, des der Professor do, keh Ahnung hot, un, un..“

....

Und so kam es nach einem raschen Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung dann doch noch zu einer Verurteilung des Angeklagten.

Da sage noch einer, daß Recht nichts mit Gerechtigkeit zu tun habe

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit !